Versicherungsrecht

Wie wird der Invaliditätsgrad in der privaten Unfallversicherung berechnet?

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Gemäß § 180 VVG schuldet der Versicherer die versicherte Invaliditätsleistung (nur), wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Die Dauerhaftigkeit der unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigung ist in der privaten Unfallversicherung also Leistungsvoraussetzung. Eine Beeinträchtigung gilt als dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann. Es bedarf also einer sogenannten negativen medizinischen Prognose, um Invalidität zu begründen.

Wenn die Invalidität grundsätzlich feststeht, können Diskussionen über die Höhe des Invaliditätsgrads auftreten. Dessen Berechnung ist in den Versicherungsbedingungen zwar dezidiert geregelt, gleichwohl bietet sie einige Stellschrauben, an denen Versicherer die vertraglich versicherte Leistung gerne ab- oder zumindest herunterdrehen. Solche Streitigkeiten gehören zu den klassischen Themen des Versicherungsrechts.

Berechnung des Invaliditätsgrades

Die Gliedertaxe als Grundlage der Invaliditätsberechnung

Steht die Invalidität dem Grunde nach fest, richtet sich die Höhe der Leistung nach dem Invaliditätsgrad, der anhand der sogenannten Gliedertaxe berechnet wird. Bei der Berechnung des Invaliditätsgrades fällt der Blick zunächst in die Gliedertaxe, die in den Versicherungsbedingungen zu finden ist. Diese enthält Prozentsätze für den Verlust bestimmter Körperglieder oder Sinnesorgane. So sehen zum Beispiel viele Versicherungsbedingungen für den vollständigen Verlust eines Beines einen Invaliditätsgrad von 80 % vor. Dem Verlust ist die vollständige Funktionsunfähigkeit bzw. die vollständige Gebrauchsunfähigkeit eines Körperteils oder eines Sinnesorgans gleichgestellt. 

Bei nur teilweisem Verlust oder teilweiser Funktions- oder Gebrauchsunfähigkeit wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes angenommen. Da die nur teilweise Funktions- oder Gebrauchsunfähigkeit eines Körpergliedes üblicherweise in Bruchteilen der vollen Gebrauchsunfähigkeit ausgedrückt wird, kommt es zu kryptisch anmutenden Bewertungen wie zum Beispiel 8/20-Beinwert. Ausgehend davon, dass in der Gliedertaxe für den vollständigen Verlust des Beines ein Invaliditätsgrad von 80 % vereinbart ist, ergibt sich bei einer mit 8/20 bewerteten Funktionseinschränkung des Beines ein Invaliditätsgrad in Höhe von 32%. 

Abzug wegen Vorinvalidität

War das betroffene Körperteil oder Sinnesorgan bereits vor dem Unfall dauerhaft in seiner Gebrauchs– oder Funktionstauglichkeit beeinträchtigt, so ist der Grad dieser sogenannten Vorinvalidität ebenfalls zu bemessen und von dem zuvor berechneten Invaliditätsgrad abzuziehen.

Abzug wegen vorbestehender Krankheiten und Gebrechen

Der Versicherer verspricht Leistungen für die gesundheitlichen Folgen eines Unfalls. Oftmals wird das Ausmaß dieser unfallbedingten Gesundheitsschäden allerdings mitbestimmt durch bereits vor dem Unfall bestehende Gebrechen und Krankheiten. Für diesen Fall sehen die Versicherungsbedingungen eine Regelung vor, wonach sich der Prozentsatz des Invaliditätsgrades in dem Umfang mindert, in dem Krankheiten oder Gebrechen an der Gesundheitsschädigung oder ihren Folgen mitgewirkt haben. 

Der Versicherer muss das Bestehen von Krankheiten und Gebrechen des Versicherten sowie deren Mitwirkungsanteil beweisen.

Zu einem Abzug wegen mitwirkender Krankheiten und Gebrechen kommt es zum Unverständnis der meisten Versicherten auch dann, wenn die entsprechende Krankheit bzw. das Gebrechen der versicherten Person vor dem Unfall vollkommen unbekannt war, weil es überhaupt keine Beschwerden verursacht hat. Zugute wiederum kommt der versicherten Person der Umstand, dass altersentsprechende Verschleißerscheinungen nicht als Krankheiten oder Gebrechen gelten. Dabei wird zwischen Versicherer und Versichertem natürlich oft darüber gestritten, welcher Verschleiß noch altersentsprechend ist oder eben nicht mehr.

Wohl die meisten Versicherungsbedingungen sehen zudem vor, dass ein Abzug des Mitwirkungsanteils unterbleibt, sofern er einen bestimmten Prozentsatz (zum Beispiel 30 %) nicht übersteigt. 

Fazit

Die Berechnung des Invaliditätsgrades ist in der privaten Unfallversicherung häufig ein Streitpunkt zwischen Versicherern und Versicherten. Oftmals legen Versicherer die Invaliditätsleistung sehr eng aus oder nehmen unberechtigte Abzüge wegen vermeintlicher Vorerkrankungen und Mitwirkungsanteile vor. Dabei bestehen oft gute Aussichten, eine unzutreffende medizinische Beurteilung in Frage zu stellen und somit höhere Ansprüche durchzusetzen. Schon geringe Abweichungen in der Bewertung einzelner Funktionsbeeinträchtigungen können erhebliche finanzielle Unterschiede bedeuten.

Sie haben Zweifel an der Berechnung Ihres Invaliditätsgrades oder an den vorgenommenen Abzügen? Lassen Sie Ihre Ansprüche aus der privaten Unfallversicherung rechtlich überprüfen, denn eine fachkundige Einschätzung kann entscheidend sein, um Ihre berechtigte Invaliditätsleistung vollständig durchzusetzen.

Als Fachanwältin für Versicherungsrecht stehe ich Ihnen zur Seite, um Ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen. Kontaktieren Sie mich für ein Erstgespräch.

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